Donnerstag, 20. Oktober 2011

Weder Tiger noch Schiffbruch

Wir sind im: Bardia National Park
Wir gehen nach: Tansen (inzwischen sind wir in Pokhara angekommen)
Wir vermissen: den Tiger

Unser wunderbares Hotel hat seit 5 Tagen eine eigene Website. Es liegt in der Bufferzone des Bardia Nationalparks. Am Sonntag begeben wir uns auf eine „Walking Safari“. Noch keine halbe Stunde im Park, schon zeigen uns unsere Guides Tiger- und kurz darauf auch Nashornspuren. Wir bewegen uns leise und reden, wenn überhaupt, im Flüsterton. Man hört nur die Rufe der Blutegel: „aasuuge“. Ok, letzteres war gelogen. Aber im Ernst, es hat eine ganze Menge von diesen Blutsaugern.

Je leiser wir sind, desto lauter zirpt und summt, zwitschert, singt und gurrt, raschelt und knackt, sprudelt, plätschert und gurgelt es. Als unser Guide ganz abrupt stehen bleibt, bleibt es auch mein Herz für einen kurzen Moment. Zu unserem Glück ist es kein Nashorn, das da aus dem Busch kommt. Es ist nur ein berittener Elefant. Wir schlagen uns weiter durch das Dickicht bis an einen Fluss, den wir an einer Hängebrücke überqueren, unter der sich ein Krokodil ausruht.
Die heissfeuchte Mittagszeit verbringen wir auf verschiedenen Beobachtungsposten. 
 
Selten habe ich einen solchen Tag erlebt, an dem ich kaum geredet, über nichts nachgedacht, nur geschaut, gehorcht und gerochen habe. Auf dem Rückweg stiefeln wir durch mannshohes Gras, was uns zum Niesen bringt und die Ruhe empfindlich stört. Und das mit den Blutegeln ist auch eine ganz schöne Sauerei geworden. Wenigstens soll's gesund sein.

Am Montag leisten wir uns eine egelfreie „Floating Safari“. Wir steigen gleich unterhalb einer tollen Brücke zusammen mit zwei Guides und Caption Jack Sparrow ins Boot und lassen uns auf dem grossen Fluss und seinen Seitenarmen treiben.
Auf einer Sandbank legen wir an und gehen zu Fuss an einen guten Spot, um den Bengalischen Tiger zu sichten. Ohne Erfolg. Also machen wir uns auf den Rückweg. 

Wir sind erst ein paar Meter weit gekommen, da taucht vor uns ein Nashorn auf und geht baden. Es versperrt uns damit den Weg zurück zum Boot. Pierre und zwei Guides gehen näher heran. So nahe, dass es vom Geräusch des Fotoapparats aufschreckt und in unsere Richtung spurtet. Das Herz klopft dieses Mal nicht nur mir bis zum Hals. Zum Glück sieht es uns hinter den Büschen nicht und läuft zurück zum Wald.
Den Tiger sehen wir auf dem 32km-Rafting nicht, dafür diesmal einen wilden Elefanten, noch ein Kroki, Fischotter, gepunktete Rehe, Affen, Libellen und Schmetterlinge in allen Farben. Ausserdem gehen wir alle im Fluss schwimmen. Aber erst dort, wo wir vor Krokodilen sicher sind, nicht gleich neben deren Spuren, gäll Pierre.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Grenzerfahrung

Wir sind in: Delhi
Wir gehen nach: Mahendranagar, Nepal
Wir vermissen: ein Visum
Zurück in Delhi schaffen wir es weder im Reisebüro noch an der einen oder anderen Busstation ein Ticket an die nächstgelegene Grenze von Nepal zu kaufen. Wir entscheiden uns deshalb für ein Zugticket nach Bareilly für den nächsten Tag, wobei wir nicht wissen, wie es von da aus weiter gehen soll. Sicher ist, wir müssen die 100km entfernte Grenze in Banbasa vor 18 Uhr erreichen, wenn wir es am gleichen Tag noch nach Nepal schaffen wollen.

05h15; Wir lassen uns mit einer Autorikshaw zum Bahnhof in Old Delhi fahren. Dort herrscht Gedränge wie am „Moorgestraich“ auf dem Marktplatz.
07h05; Einen Masala Chai später fährt der Zug mit einer Stunde Verspätung los.
14h15; Nach klimatisierter Fahrt im Liegesessel schnappen wir uns im tropischen Bareilly den erst besten Rikshawfahrer und erklären, dass wir einen Bus nach Banbasa brauchen. Er kapiert schnell und fährt uns direkt zum richtigen Bus.
14h45; Unser Bus fährt sofort los, es reicht gerade noch 3 Samosas durch's Fenster zu kaufen.
17h25; Wir haben das Powerplatetraining hinter uns und steigen auf eine Tonga (ein zweirädriger Holzwagen, der von einem Pferdlein gezogen wird) um. Das Pferd wird gepeitscht und galoppiert durch den Wald.
17h58; Die Sonne geht unter und wir erreichen die natürliche Grenze: einen gewaltigen Strom.
18h00; Die bunt gemischten Fahrzeuge werden über die einspurige Brücke gelassen - zum letzten Mal an diesem Tag.
18h25; Obwohl die indischen Beamten etwas enttäuscht sind, dass wir schon nach zwei Wochen aus Indien verschwinden, sind wir offiziell emigriert. Mit der Tonga geht es weiter über eine Schotterpiste;
18h35; Wir treffen an der nepalesischen Grenze ein, laden unsere Rucksäcke und bezahlen den Tongafahrer. Ein Mann in Uniform sitzt in einem Zelt und trägt unsere Vornamen und Passnummern in eine Heftlein ein. Wir sind Nummer 16 und 17. Das Immigration Office – ein blaues Häuschen mit Wäscheleine - ist aber leider geschlossen. Der Zoll lässt uns aber auch „sans papiers“ ins Land und unsere 50kg Gepäck werden nur aus der Entfernung etwas ungläubig beäugt. Das Visum sollen wir dann bitte am folgenden Morgen holen.
18h45; die letzten Fahrten verbringen wir in einem weiteren Bus und auf einer Velorikshaw.
19h00; Hotel erreicht; Bier und Essen bestellt; Reliiiieeeffff.

Kosten für all diese Verkehrsmittel für uns beide zusammen: 1817 Rupien (ca. 36 Franken)

PS: Inzwischen sind wir in Pokhara und hören zum ersten Mal Rock!

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Pushkar

Wir sind in: Pushkar
Wir gehen nach: Delhi
Wir vermissen: das Essen von Nikhil


Pushkar ist ein bunter Haufen von Pilgern und Rucksacktouristen inmitten von ein paar spitzigen Bergen. Die 50'000-Seelen-Stadt ist etwa so gross wie Schönenbuch und beherbergt 400 Tempel.

Brahma soll hier mal eine Lotusblüte fallen lassen haben, worauf ein See, der nun die Mitte von Pushkar bildet, entstand. Daher rührt auch der Name: Push = Blume, Kar = Hand (aha, es hat also nichts mit den Stosskarren zu tun, die hier als Alternative zu Rikshaws angeboten werden).

Auf dem Bazaar rund um den See gibt es bunte Textilien, Lederwaren und Silberschmuck, aber auch Reispopps sowie gelbe, orange und violett Blüten für die hinduistischen Götter. Dazwischen kleine Haufen mit Farben, die in den Augen schmerzen, so grell sind sie.

Morgens um sechs werden wir von den trappelnden Füssen, dem Geplapper, den Gongs un den Glöckchen der Pilger geweckt. Wir entscheiden uns deshalb, unseren Trekkingschuhen auf einem der umliegenden Berge etwas Auslauf zu gewähren. Abgesehen von Riesenheuschrecken, Schmetterlingen, Vögeln und natürlich Kühen sind wir die einzigen. Wir geniessen die Ruhe und die gute Sicht, bevor wir wieder in die staubige Stadt aufbrechen.

Jodhpurs Märchen

Wir sind in: Jodhpur
Wir gehen nach: Pushkar
Wir vermissen: einen Pool



Inzwischen habe ich mich mit Rajastan, so heisst hier der Kanton, versöhnt. Jodhpur, die blaue Stadt, hat die Kehrtwendung gebracht. Die Leute sind herzlich und neugierig, aber weniger aufdringlich als anderswo. Die Familie des Pushp Guesthouse samt Ex-5-Sternekoch Nikhil hat uns einen sehr herzlichen und leckeren Empfang bereitet.

Just oberhalb unseres Gatshauses thront auf einem 123 Meter hohen Felsen das 500-jährige "Merangarh". Das Fort ist aus eben diesem Fels erbaut und die Grenze zwischen Berg und Mauer ist kaum auszumachen. Ein Minas Tirith, wie bei "Herr der Ringe". Kein enziges Mal wurde es bezwungen. Dafür sorgten viele Mauern und Tore. Das älteste ist um die Ecke gebaut, sodass kein Elefant genug Anlauf nehmen konnte, um die hölzerne Tür einzurennen. Die Höfe, die Audienz- und Unterhaltungssääle und die Terassen sind auf einem Duzend Ebenen verteilt. Sie dienten alle ihrem eigenen Zeck und sind noch heute gut erhalten. Die Ecken sind für hinduistische Gottheiten geschmückt und immer wieder stösst man auf Musiker.
Pierre versucht sich auf der Sarangi, einer Art idischer Geige mit vier Spiel- und einer ganzen Reihe von Resonanzsaiten.

Wer Lust hat, kann sich die untertitelte Bollywood-Produktion "Jodha Akbar" ansehen. Sie erzählt die Geschichte des Königs von Jaipur. Auf Youtube findet sich der Trailer in deutsch.

Unser Märchen geht aber in Pushkar weiter...

Sonntag, 9. Oktober 2011

Intermezzo: Indische Eigenarten

Der Tag startet hier noch vor Sonnenaufgang. Wissen tu ich es nicht, aber ich schätze, dass die Frauen hier noch länger im Bad brauchen als ich. Sie wickeln sich nicht nur in ihre Saris, sie müssen auch ihre meterlangen Haare bürsten und zu hübschen Knoten oder Zöpfen binden, den Schmuck überstreifen und ihre Kinder schminken. 
Ja, richtig gelesen: die meisten Kleinkinder, Mädchen wie Jungen, tragen Kajal um die Augen und ganz kurze Haare. Die jungen Frauen färben ihre Hände, die älteren Herren wiederum ihre ergrauten Haare mit rotem Henna.

Zwischen dem Werken und Handeln stärken sich die Männer mit einem süssen Masala Chaya (Gewürztee). Aber auch während der Arbeit bleibt stets genug Zeit, vor einem laut schallenden Hindutempel zu beten oder auch für ausführliche Inspektionen vorbeitrabender Touristen. Kuckt einer zurück, ist das die Einladung zum Interview mit der einleitenden Frage: "Where you from?"

Oft fotografiert man die Touris "heimlich" mit dem Handy. Oder man stellt sich gleich neben sie und lässt sich zusammen verewigen. Barfüssige Kinder spielen derweil auf der Strasse. Aber auch sie lassen sich gerne ablichten. Für alle gilt: bloss nicht lachen, wenn man fotografiert wird.


Schlägt der "Clocktower" zwei, findet alsbald das Mittagessen statt. Die besseren indischen Restaurants servieren meist nur vegetarisches Essen. Je teurer das Restaurant, desto weniger Fenster hat es. Das liegt wohl daran, dass der Strom für die Klimaanlagen ziemlich teuer ist und dass sich auch die Inder bustäblich für ein Stündchen aus dem Staub machen und die Ruhe in Schummerlicht geniessen wollen. Zusammen mit der Rechnung werden "Mouth Freshener" aufgetischt: kleine Schälchen mit Fenchelsamen und Zucker.  
   
Ist das Geld knapp oder ruft die Arbeit schon nach zehn Minuten wieder, holt man sich auf der Strasse ein Samosa; vielleicht auch ein paar aus Getreiden, Gewürzen und Zuckersirup bestehende Süssgkeiten. Vorher werden die Hände und das Gesicht an öffentlichen Wasserstellen vom Schmutz der Strasse befreit. 
Umgeben ist man beim Essen nicht nur von den hier zu erwartenden Kühen und Hunden, sondern auch von frei herumstreunenden Schweinen und Ziegen. Die Strassenhunde sind (im Gegensatz zu den Rikshaw- und Shopbesitzern) sehr unaufdringlich, und trotz des geschäftigen Treibens der Menschen und den ohrenbetäubenden Hupen der Motos, nahezu lethargisch. Ein Hund ist vom anderen nicht zu unterscheiden; sie scheinen alle von den gleichen Eltern abzustammen. Bellen ist out, wie mir scheint. Nur wenn die Muezzins bei Sonnenuntergang ihre Gebetstöne aneinander reiben lassen, jault manchmal einer mit. 

Die Erwachsenen kommen sich meist erst nach den Europäern zum Abendessen, während sich die Kinder im Primarschulalter die Zeit mit Raketen und Streichhölzern vertreiben. Ab 10 Uhr kehrt Ruhe ein. Die Touristen bleiben aber noch ein Weilchen auf der einen oder anderen Dachterasse sitzen.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Zurück auf Feld eins

Wir sind in: Jaipur 
Wir gehen nach: Jodpur 
Wir vermissen: eigentlich hat es eher von allem zuviel


Den ersten Tag in Delhi widmen wir der Suche nach dem First Flor, dem einzigen Ort, wo man als Touri ein Zugticket ohne Zuschlag kaufen kann. Leider lassen wir uns von einem Offiziellen  in ein Autorikshaw setzen und für 10 Rupien (20 Rappen) auf die andere Seite des Conaught Place kutschieren. Wir hätten wissen müssen, dass das zu billig ist. Statt im ersten Stock landen wir bei einem Reiseveranstalter, der uns weismachen will, dass sämtliche Züge ausgebucht und Busse viel zu gefährlich sind. Wir lassen uns aber von den Bildern nicht abschrecken und vom Chaya Masala nicht bezirzen. Zurück auf Feld eins also. Wir bekommen einige Stunden später die letzten Plätze im Zug nach Agra. 
 
Überhaupt kommt mir Delhi wie ein Mix aus verschiedenen Brettspielen vor. Die Hotelsuche gleicht dem Verrückten Labyrinth, der Verkehr einem Eile mit Weile mit 9'878'172 Teilnehmern und soviel wie wir kaufen sollen, befinden wir uns anscheinend in einem Monopoly. Immerhin würfeln wir richtig, wenn es ums Essen geht: Die Indische Küche kostet kaum und Vegetarisches schmeckt immer, egal welche Wahl man trifft. 

 
Sonst allerdings kann ich Indien noch nicht sehr viel abgewinnen, denn leider sind die vielgerühmten Farben von einer dicken Staubschicht bedeckt und die Blumen- und Currydüfte dringen selten duch die der Abfallberge hindurch.

 
Ein paar schöne Dinge möchte ich trotzdem noch nennen: Auf der Zugfahrt von Delhi nach Agra bekommen alle (wie praktisch) ein rotes Rösli geschenkt; der Anblick des Taj Mahal verursacht Kribbeln im Bauch; Velorikshawfahren; bepflanzte und beleuchtete Rooftop Restaurants; unser Hotelzimmer in Jaipur ist sauber und, wie die ganze Altstadt, pink gestrichen.